Ein junger Mann am Sterbebett litt und sprach zu seiner einzigen Tochter, während sie weinte und sich dem Vater näherte. Kalt und trocken war die Zelle namens Hauses. Die Hände der Tochter zitterten und waren das Haus ihrer Ängste. Die großen Raben warteten, bis der Mann aufgibt und sie seine Seele mitnehmen dürfen, einen Teil der dunklen Seele der Menschheit.
Der Winter war wie immer anwesend, jedoch trug er einen Mantel aus Haut eines riesigen orangen Fuchses. Er lehnte sich an die Wand und schaute auf seine Uhr und hörte:
„Tick…Tack…Tick…Tack…“
Warm war es für den Winter. Das Glas eines der Fenster war gebrochen und der gemeine Wind löschte jedes einzelne Zündholz, das das kleine Mädchen anzündete und fand seinen Weg vom Labyrinth der toten Kerzen zu den sanften Händen des Mädchens. Das Licht erlosch und der Vater grinste, während seine Nase blutete.
Das kurzzeitige Licht zeigte dem Mädchen die Ungeheuer um es herum nicht. Es sah die Vettel im Spiegel am Lachen gar nicht. Die kleine Frau sah den schwarzen Nebel um das Haus herum nicht. Sie sah das blutrünstige Biest vor der Haustür am Schreien nicht. Sie sah den Mond, der von Wolken erwürgt wurde und am Ableben war, nicht. Ihre Augen waren dafür nicht bereit, noch nicht und außerdem trug sie eine Sonne in ihrem netten Herzen, eine Sonne aus Hoffnung, die das Mädchen von der Wahrheit ablenkte.
Die Wölfe lagen zwischen den Bäumen. Die Krähen krähten. Die Bäume rauschten. Die Nebel eroberten Länder, eins nach dem anderen. Die Götter hängten vom Galgen der Dunkelheit und die Menschen boten ihre Seelen den Toten und Machtlosen an, während die Dunkelheit elegant ihre Arroganz in die Luft streute. Das Zeitalter der Menschen saß so lange auf dem Thron, dass es schon verrotten, mit dem Thron eins und in ihm geschmolzen war. Der Vater sagte leise:
„Tochter, die Dunkelheit kann man nicht so bekämpfen. Lass die Zündhölzer weg und stattdessen versuch es in der Dunkelheit zu sehen.“
Die Tochter sagte: „Vater, ich will nicht, dass du stirbst. Bleib bei mir, bitte!“
Der Vater: „Meine Tochter, den Kreislauf der Dunkelheit lehre ich heute dir, bevor ich für immer gehe. Sei stark, denn nur so kannst du den Kreislauf verlangsamen. Und eins soll dir bewusst sein. Das Licht ist ein Phönix und gerade am Ende seines Lebens.“
Der Tochter tränte und schob ihre rabenschwarzen Haare hinter ihr Ohr, damit der Vater ihre bleiche Wange berühren konnte. Blut der Hand des Vaters saß auf der Wange und machte sie blutrot. Der Vater setzte fort:
„Tochter, das ist die letzte Geschichte, die dein Vater dir erzählen wird. Es gibt keinen Prinzen und Drachen in ihr. Es gibt keine Sonne und Einhörner in ihr. Es gibt kein Rotkäppchen und Schneewittchen in ihr. Es gibt nur die Wahrheit in ihr, rein und pur wie die Sonne in deinem kindlichen Herzen. Heute gebe ich dir meine Gabe weiter, bevor die Dunkelheit seinen Weg zu deinem Herz findet. Eine Gabe, mit der du die Wahrheit sehen kannst. Mit der, deine Augen die ursprüngliche Form des Auges eines Urmenschen bekommen. Die Urmenschen sind die Söhne der Dunkelheit und wir die abtrünnigen Kinder, die sich dem Licht gewidmet haben, nur für das Gleichgewicht, das nichts mehr als eine Illusion ist. Die Dunkelheit ist das Sein. Du hast Zeit meine Tochter, viel Zeit. Heute lernst du etwas, was seit tausenden Jahren zwischen Menschen verboten ist. Die Wahrheit lernst du heute und sie ist dunkel wie deine schönen Haare.“
Die Tochter mit nächstem Kloss im Hals legte hoffnungslos die Streichhölzer auf den Tisch und sagte: „Ich möchte nur, dass du nicht gehst. Du darfst mich nicht allein lassen. Ich habe Angst.“
Der Vater nahm die Hand der Tochter und Blut schmierte sich an den kleinen Händen des Mädchens. Der Vater sagte:
„Das Blut und die Menschen führen eine lange Beziehung seit der Antike miteinander. Fast alles, was wir tun, führt zum Leid der Anderen, jedoch wieso sehen und fühlen alle es nicht? Wieso tun sie nichts dagegen? Wieso gewinnt jeden Tag die Dunkelheit mehr als das Licht?“
Der aufgeregte Vater hustete und sprach weiter:
„Meine Tochter, es gibt die Dunkelheit, seit es das Leben gibt. Oh ja meine Tochter, es gibt sie und du sollst damit aufhören, wie die anderen schwachen Menschen dich davon abzulenken. Du sollst sie wahrnehmen und gegen sie kämpfen. Die Dunkelheit erobert das Leben und das Gute und wird immer stärker und mächtiger. Menschen und ihre Taten sind Katalysatoren dafür. Die Dunkelheit wird immer mächtiger, bis Menschen dagegen revoltieren. Eine gute Flamme, die schnell erlöscht. Menschen werden in diesen Revolutionen wieder die Dunkelheit einsetzen und morden und stehlen und Gewalt einsetzen. So kriecht die Dunkelheit, diese uralte riesige Schlange, in die Seite der guten Revolutionäre und macht aus ihnen Verdorbene. Meine Tochter, das ist der Kreislauf der Dunkelheit und die Dunkelheit wird immer stärker, bis die Menschen sich aufgeben. Bis sie sie nicht mehr wahrnehmen, während die Finsternis ihre Leben beherrscht. Uns wird Angst gemacht, damit wir unsere Freiheit beschränken und die Macht denen geben, die sich als wahre Beschützer vorstellen. Ein fataler Fehler der Menschheit. Ich habe auch Fehler gemacht, meine Tochter. Ich dachte, wenn ich viel trinke und rauche, kann ich die Dunkelheit nicht sehen und kann mich davon ablenken, wenn ich meine Seele unterdrücke oder wenn ich tanze oder arbeite, wenn ich Freunde habe. Aber nein, ich habe mich belogen und geirrt. Mach nie den gleichen Fehler wie dein dummer Vater! Der Kreislauf der Finsternis ist der Fluch der Menschheit und des Lebens. Sieh wie die Erde zerstört wird. Wie die Bäume fallen, obwohl wir ohne sie nicht atmen können. Wie die Tiere geschlachtet werden, damit wir den Geschmack des Blutes gewöhnt werden. Wie wir Mordmaschinen bauen und exportieren. Sieh wie die unschuldigen Menschen sterben und es den anderen nicht wichtig ist! Sieh meine Tochter, den schwarzen Nebel und die Dämonen, die Ignoranz der Menschen, Verhungerten, Reichen, scheinbar Glücklichen! Sieh wie das Geld das A und O wird und so vergisst man alle anderen Buchstaben! Hör dir das Geschrei der Seelen der Menschen an! Sieh sie dir genau an! Fühle wie ihre Seele ausgeschaltet in den Kerker des Verstandes der Menschheit geschmissen werden! Sieh und fühl es mit Gabe unserer Familie! Das Zeitalter der Dunkelheit tritt bald wieder in voller Pracht ein und das heißt, dass unser Phönix stirbt. Mein Tod ist der Anfang, meine süße Tochter. Doch du wirst meine Gabe haben und vieles sehen, was verboten ist. Sprich es aus! Vielleicht könntest du den Kreislauf verlangsamen, denn gestoppt wird er nie. Hab keine Angst vor den Mächtigen, denn die Dunkelheit schenkt ihnen auch irgendwann ihren wohlverdienten Tod. Sieh die Waffen, die auf Schwachen zielen! Die Dunkelheit ist stark, jedoch auch klug. Sie macht uns dumm und dann werden wir zu ihren Marionetten. Sie ist heute da und möchte mich sterben sehen, jedoch solange die Liebe in deinem Herz lebt, werde ich auch dort bei dir sein. Ich habe dich über alles auf der Welt lieb und die Liebe ist das einzige, wovor die Dunkelheit Angst hat.“
© Ibrahim Rahimi
Ibrahim, ich bin wieder mal erschüttert über die so starke Ausdruckskraft, Beschreibung in Bildern, die von so weit daher zu kommen scheinen und die Finsternis so mystisch beschreiben.
Danke dir!